Grenzplatte oder Zahme Hölle

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Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen sind immer verwundert, wenn sie von mir hören, dass es in der Sächsischen Schweiz noch Wege und Orte gibt, die ich noch nie besucht habe. Zwei davon sind die Grenzplatte und die Zahme Hölle und eine von beiden stand heute zur Auswahl. Das Rennen hat schließlich die Grenzplatte gemacht. Das Wetter war heute für Aussichtspunkte ideal – die Zahme Hölle muss noch etwas warten.

Der Automassen am Parkplatz Labyrinth ließen für die Ottomühle nichts Gutes erahnen und um halb elf war dieser Parkplatz schon gut gefüllt. Für den Hinweg nehme ich den Wormsbergweg – gerade wie mit einem Lineal gezogen, mit nur einem einzigen Knick, führt der Weg in Richtung Grenze. Einziges Highlight auf der ganzen Strecke – eine sonderbare Hütte, mit einer gewaltigen Esse, am Wegesrand. wormsbergweg_6
Endlich bin ich am Abzweig zur Grenzplatte angekommen, nochmal ein Blick zurück in die unendlichen Weiten des Wormsbergweg, ehe ich abbiege. Im ersten Moment bin ich etwas enttäuscht von der Aussicht – ich hatte sie mir größer vorgestellt, aber der Blick zum Hohen Schneeberg, ins Bielatal und nach Ostrov (Eiland) lassen alle Enttäuschung verfliegen. Würde man die drei Birken, die am Rand der Aussicht stehen und jedes Panorama in drei gleiche Abschnitte aufteilen, entfernen, zähle ich diese Aussicht zu den schönsten im Sandstein. Das Gipfelbuch vom Grenzkegel liegt nur einen Schritt von mir entfernt,pano_grenzplatte_tele_6 aber ich verzichte auf einen Eintrag. Nach einer ausgiebigen Pause geht es den gelb markierten Weg talwärts. Am Grenzstein 20/12 überlege ich, ob ich die Abkürzung direkt von Grenzstein zu Grenzstein nehmen soll oder doch lieber auf dem markierten Weg bleiben? Ich entschließe mich für zweiteres, da ich nicht weiß, ob ich im Tal trockenen Fußes über den Bach komme.Hätte ich vorher mal bei Arndt nachgesehen, da ist ein Foto der kleinen Holzbrücke, hätte ich mir einiges an Zeit sparen können. Dafür finde ich im Tal eine noble Holzbank, die mit einer Fichte verheiratet ist. Warum man dazu ein derartig verrostetes Stahlseil verwenden muß, bleibt mir ein Rätsel. Oder sind die beiden schon so lange verbandelt, dass sich Rost angesetzt hat. Soll ja in den besten Ehen vorkommen.bielatal_1
Hier ändere ich kurzer Hand meinen Plan und statte Ostrov einen Besuch ab. Als erstes, sofort nach der Grenze, wird man, rechts vom Weg, von einem Freibad empfangen, dem das Wasser schon vor vielen, vielen Jahre abhanden gekommen sein muss. Jeder Versuch, da wieder Wasser rein zu kriegen, scheint an den unübersehbaren Spalten und Rissen gescheitert zu sein. Ganz im Gegensatz dazu stehen die Häuser auf der linken Wegseite; nichts mehr ist von dem morbiden Charme der 1980er, als ich zu meinen Studentenzeiten oft in der CSSR zu Besuch war, zu sehen. Nur die Beschriftung an den Häusern lässt erkennen, dass man nicht mehr in D ist.
Ich wollte schon wieder zur Ottomühle umkehren, als meine Nase Moleküle kurz über der Nachweisgrenze bemerkt, die ich mit dem Wort Hostinec verbinde. Ich finde eine schöne Terrasse vor, auf der es auch noch freie Plätze gibt. ostrov_1Da ich Knoblauchsuppe kategorisch ablehne, wer so was isst, schneidet auch kleinen Kinder die Brottasche ab ;-), entscheide ich mich für einen Salat und Bier. Ja, der Salat hätte etwas größer ausfallen können, aber die Gabel war auch der Größe des Berges angepasst – ich ordne sie unter der Kategorie Kuchengabel ein. Das nächste Mal bestelle ich mir das Omlett vom Nachbartisch.
Nicht unbedingt vollständig gesättigt, aber ich will ja auch, dass der dekadische Logarithmus meines Gewichtes wieder mit 1 vor dem Komma anfängt, mache ich mich auf den Rückweg. Ein künstlerisch wertvoller Grenzstein muss unbedingt noch fotografiert werden, grenzstein_1bevor ich wieder in Sachsen bin und freundlich vom Sachsenforst darauf hingewiesen werde, dass es im Wald gefährlich sein kann. Hätte ich nie gedacht – Hänsel und Gretel sowie Rotkäppchen habe ich immer in die literarische Gattung “Märchen” eingeordnet. Ich bleibe auf dem breiten Waldweg, denn ich will noch zum Singeborn schauen. Eine ganz eigenartige Quelle, bei der das Wasser nicht aus einer Felsspalte kommt, sondern aus dem Sand des Bodens; wie kleine, brodelnde Vulkane. Aber das sieht bloß so aus, das Wasser ist kalt.wa_singeborn_x_4
Den Weg an der Verlassenen Wand nehme ich nicht, denn kurz bevor die Biela das erste Mal den Weg kreuzt, hat Rolf einen Pfad eingezeichnet, der zu einem Mauerrest und danach zu einem Wall, wie ein kleines Plateau, führen muss. Das will ich wissen. Der Pfad entpuppt sich als sorgfältig terrassierter Weg, der immer mehr zuwuchert und nach wenigen Metern ist Schluß – das Brombeergestrüpp hat sich alles zurückerobert. Das wird wohl Rolfs Geheimnis bleiben, was er da gefunden hat.
Der Rest des Weges ist schnell zurückgelegt. Aber auf dem Parkplatz ist es mittlerweile so eng geworden, dass ich mich glücklich schätze, zu meinem Nachbarn etwas mehr Abstand gelassen zu haben. Die Autos sind heute aber auch verdammt groß, mit einem Trabant wäre das alles kein Problem gewesen.

So, wieder einen Punkt weniger auf meiner Noch-Zu-Besuchen-Liste.

4 Gedanken zu „Grenzplatte oder Zahme Hölle

  1. Na da bin ich aber auch verwundert, dass ich dir altem Sandsteinhase noch in was voraus bin. Zumindest bei Hölle und Platte 🙂
    Aber was ist denn nur der dekadische Logarithmus?

    • Die Wilde Hölle ist ja auch viel interessanter und die Grenzplatte so verdammt weit weg 🙂 .
      Der dekadiche Logarithmus ist der Exponent x mit der die Zahl 10 potenziert werden muss, um die Zahl y zu erhalten. Also der dekadische Logarithmus von 100 ist 2, da 10 hoch 2 = 100, von 10 ist er 1, da 10 hoch 1 = 10; alles ander liegt irgendwo zwischen 1 und 2.
      Wird heute leider nicht mehr unterrichtet, zumindest bis Klasse 10 – wozu gibt’s denn Taschenrechner.

      • Ach du meine Güte – Jetzt dachte ich kurz, der arme Dietmar wiegt über 200 kg, wie will er da noch beim Arbeitseinsatz mitmachen. Sag doch einfach, dass du den weitverbreiteten Wunsch hast, den Zeiger der Waage wieder links von der Hundert zu sehen 🙂

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