Wanderung SA 8 — Pilgern ist nicht Wandern

Rolf Böhms Bericht vom 116. Deutschen Wandertag

116. Deutscher Wandertag im Elbsandstein, einwandfrei, bei so einem Highlight in einer Wanderlandschaft, da muss man natürlich mitmachen und auch eine Wanderung anbieten. Natürlich soll es etwas ordentliches, gebirgsdurchquerendes sein. Gemeinsam mit der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Bad Schandau war bald ein Thema gefunden, „Pilgern ist nicht Wandern“. 17 km von Hinterhermsdorf über Marienquelle, Altarstein, Zeughaus, Marienhöhle und den Großen Winterberg, Ziel Schmilka.

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Die Planung ging schon jahrelang vorher los. Bereits am 8. Januar 2015 hatte ich das Wandertags-Anmeldeformular beim Wandertags-Projektmanagement-Team abgegeben. Alles durchgeplant, und auch im Formularfeld „Zeit Rückkehr“ korrekt die ermittelte Rückkehrzeit 18:00 Uhr eingetragen. In dem gedruckten Programmheft war dann zwar „Ankunft 17:00 Uhr“ draus geworden. Na, sicher nicht weiter schlimm. So eine Wanderführung in der Freizeit, das kann ja auch mal eine Stunde länger dauern. Kann ja auch sein, wir schaffen das bis um fünf. Das lässt sich ja nicht so genau planen.

Der 25. Juni 2016 war dann der Wandertag. 9:30 Uhr ab Erbgericht Hinterhermsdorf. Wir waren 30 Wanderer in der Gruppe. Aus ganz Deutschland, Pfalz, Thüringen, Müsterland, Saarland, Sachsen. Alles prima. Etwa die Hälfte der Teilnehmer war eine Reisegruppe von einem Reisebüro. Einwandfrei, es ist ja jeder eingeladen, und bei so einem Wandertag ist es ja nicht so wild mit Vertrag und Leistungs­ansprüchen.

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Hickelkopf

Da hatte ich mich aber gleich zweimal bissl vertan. Es war sehr heiß und das Tempo bestimmt der Langsam­ste. Noch einen Abstecher zum Hickelkopf gemacht. Ab Zeughaus lagen wir etwa eine Stunde gegenüber dem Plan zurück. Da erfuhr ich plötzlich, dass die Reisegruppe 17:00 Uhr in Schmilka von einem Reisebus erwartet wird. Dann Fahrt ins Hotel, 19:00 Uhr Abend­brot, alles schon geplant, gebucht und vorbereitet. Wie ich mir das denn nun vorstellen würde? — Na hallo? Meine Planung war Ankunft 18:00 Uhr. Da ist eben mal eine Stunde beim Druck verrutscht. — Ich erhalte das Angebot des Reiseveranstalters vorgelegt: Wanderung SA 8, das haben wir uns so rausgesucht wie vom Reisebüro zusammengestellt. Wir müssen bitte um fünf in Schmilka sein. — Tja, und wer ist hier denn eigentlich der Reiseleiter? Aha, das war dann plötzlich wohl ich. Da hatte ich also ein kleines Problem. Also in den „Profimodus“ umgeschaltet. Karte her, alles neu durchkilometriert, neuen Zeitplan gemacht, umgeplant, abgekürzt, die Andacht Marienhöhle raus­gestri­chen. Okay, mit 5 ½ km/h war es hinzukriegen. Den Winterberg runter geht es ja schnell. Und nun ordentlich los, 17:00 Uhr Schmilka.

Ein blödes Gefühl. Man macht was in seiner Freizeit als Hobby aus Freude und um anderen Freude zu bereiten. Was dann tatsächlich rausgekommen ist, ist die Arbeit von einem Reiseveranstalter. Blos dass der es im Job macht und dafür ja ordentlich bezahlt wird. Da müsste man dem Veranstalter von dem Wandertag doch gleich mal eine ordentliche Rechnung schreiben. 1 Tag Wander­leitung/Reise­leitung, 300,00 € netto.

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Goldsteinaussicht

So soll man aber nicht denken, wenn man pilgert, und nicht wandert. Denn da zeigt Gott der Herr, wie es richtig geht. Hinter der Goldsteinaussicht verfinsterte sich der Himmel, erste ferne Blitze, und dann ging es richtig los. Ein Unwetter, wie ich es auf dem Winterbergmassiv noch nicht erlebt habe. Hagel, meterbreite Wasserströme auf ganz normalen trockenen Wegen. Den Messwein gab es dann bei einer Notrast unter dem Katzenstein. Der Überhang dort hat aber auch nicht viel genutzt. Die Regenjacken auch nicht. Aber schnell hat sich gezeigt: Alles erfahrene, gestandene Wanderer aus ganz Deutschland. Wir waren uns alle einig, dass uns so ein Unwetter nichts ausmacht. Der Mensch ist ja nicht aus Salz. Das Wetter war ja auch kein Vertragsgegenstand. Und es war ja warm.

Halb sechs hatten wir dann Schmilka erreicht. Der Busfahrer hat es fast überhaupt nicht gemerkt. Ab ging es, ins Hotel. — Letztendlich waren alle zufrieden. Denke ich mal. Wir haben eine richtig schwere Tagestour geschafft. Keiner hat den Stress gemerkt. Das Gewitter war eine ordentliche Abenteuer-Einlage. Und ein bisschen Stress ist eben immer. Ein herzliches Danke­schön geht an unsere Bad Schandauer Pfarrerin, Luise Schramm für die Ausarbeitung der Andachten unterwegs.

Und ich weiß nun, was der Unterschied zwischen Pilgern und Wandern ist.

Die Fotos entstanden vor der geschilderten Wanderung und dienen der Illustration.

 

3 Gedanken zu „Wanderung SA 8 — Pilgern ist nicht Wandern

  1. oh das gewitter war aller feinste sahne. uns hatte es auf dem reitsteig erwischt. so richtig dick kahm es aber in der nacht ab 23 uhr. wir lagen schon in unserem biwak und dann ging es los. das wasser floss in strömen in unsere boofe, dass uns ganz angst und bange wurde. am sonntag dann ein durchgehendes fliessgewässer im grossen zschand und vier wasserfälle stürzten sich über die wände im unteren teil des tales kurz vor der neumannmühle.
    so viel wasser – von den grossen überschwemmungen mal abgesehen – habe ich hier noch nie gesehen.
    es ist gut zu lesen, dass es wanderer aus so vielen unterschiedlichen ecken des landes hier her gezogen hat und es ihnen offenbar auch gefallen hat.

    #invisible youth felipe

  2. Schöne Weg/Situationsbeschreibung. Das da kommerzielle Reiseveranstalter dort ihr Geschäft dreist platzieren ist schon ein dicker Hund. Sind das die Spielregeln des “Deutschen Wandertags” ??
    Am Ende unterliegt der ahnungslose Wanderführer noch einer Haftung, welcher Art auch immer?

  3. Danke. Das sind die besten, erzählenswertesten Geschichten, solche, wo irgendwas schief geht, oder noch mehr 🙂
    Da empfindet der Leser diese wohlwollende und gar nicht gehässig gemeinte Art von ehrlicher “Schadenfreude”. Also nicht die Freude, dass dem Schreiber etwas unangenehmes passiert ist, sondern die freudige Erleichterung, dass man nicht selbst in dieser Bedrängnis ist.
    Denn ja, ich kann das zutiefst nachempfinden. Wenn man so einen Haufen Lämmer anführt. Und Wandergruppenteilnehmer verwandeln sich spätestens in dem Moment in völlig ahnungslose Lämmer, wo irgendjemand sagt “jetzt gehts hier lang…”. Von da an wissen sie nicht mehr wo sie sind, wie sie da hin gekommen sind, oder wieder weg kommen und überhaupt… sie würden auch ohne Meckern wie die Lemminge über die Klippenkante gehen, solange der “Führer” voran geht. Und dann noch Gewitter und nass und … naja, aber genau deshalb wird der Tag auch als lohnenswertes Erlebnis im Gedächtnis bleiben.
    Nur die Andächtigkeit dürfte wohl nicht ganz im gedachten Umfang eingetreten sein 🙂

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