Rückwärtsgang einlegen

Heute möchte ich nach all den Brute-Force-Attacken über eine andere Brut-Frage berichten oder vielleicht besser gesagt, ein wenig dafür sensibilisieren. Für die meisten von uns wird das nichts Neues sein, viele werden das auch bewusst oder instinktiv richtig machen, aber vielleicht gibt es hier ja noch ein paar Stiegen- und Wanderfreunde, die von diesem Thema bisher “verschont” geblieben sind. Auch bin ich etwas spät dran dieses Jahr – aber besser spät als nie – und für die nächsten Jahre gilt das nachfolgend Aufgeschriebene natürlich auch. Also dann mal los:

In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Wanderfalke in der Sächsischen Schweiz aufgrund Pestizideinsatzes (DDT) in der Landwirtschaft ausgestorben. Das Gift reicherte sich in den Falken an und sie legten nur noch sehr dünnschalige Eier, mit denen ein Bruterfolg nicht mehr möglich war. Ende der Achtziger startete ein Wiederansiedlungsprojekt am Lilienstein, das im Laufe der Jahre zu einem beachtlichen Erfolg wurde. Heute haben wir hier mehr Wanderfalken, als vor dem Aussterben (Genauere Informationen zum Wanderfalken und Bilder bei Wikipedia).

Vom Lilienstein aus in die Sächsische Schweiz und noch weiter

Vom Lilienstein aus in die Sächsische Schweiz und noch weiter

Damit das so bleibt, Wanderer und Kletterer keinen Schaden anrichten, bemüht sich die NPV, die Brutplätze ausfindig zu machen – der Falke brütet sehr gern an hohen Felsen – und mit Schildern zu kennzeichnen. Um eventuell Schilder ignorierende Kletterer oder Wanderer zum Rückzug zu bewegen, betreut bzw. bewacht der SBB jedes Jahr zwei Horste.
Schade eigentlich, aber in den letzten Jahren kam es mehrmals dazu, dass die Sperrungen nicht eingehalten wurden, teilweise sogar bei Anwesenheit des ehrenamtlichen Bewachers! Die Altvögel lenken dann von ihrer Brut ab, indem sie den Horst verlassen. Dabei können die Eier zu stark auskühlen oder sogar die Jungvögel erfrieren und die Brut ist verloren.

Hohe, freie Felswände - perfekt für Wanderfalken

Hohe, freie Felswände – perfekt für Wanderfalken

Wie schon ab und zu in den vergangenen Jahren war ich dieses Frühjahr auch mal wieder zum “Wanderfalken bewachen” im Elbsandstein unterwegs. Dabei hat man eine kleine Verschnaufpause vom alltäglichen Stress und kann sich Dingen widmen, für die man Zeit und Ruhe braucht. Unter anderem habe ich in den letzten Jahren eine umfangreiche Chronik aus deutscher Schreibschrift in unsere heutige Schrift mit lateinischen Buchstaben übersetzt. Das wäre zu Hause nicht möglich gewesen!

Einmal hörte ich dabei, wie der Falke wirklich ordentlich Radau machte und sich nicht wieder beruhigen wollte. Also trat ich etwas von meinem Posten am Fels zurück und sah nach oben.03 Da stand ein Tourist an der Felskante, genoss den Ausblick in einer Seelenruhe und wenige Meter vor ihm flog total aufgeregt und laut kreischend der Falke hin und her. Ich dachte: “Das muss der doch bemerkt haben!”. Ich unternahm nichts weiter, hätte ja zu ihm hinaufschreien müssen. Nach wenigen Minuten entfernte sich der Mann wieder und das Tier beruhigte sich. An diesem Tag war es auch recht warm und das Weibchen saß vermutlich noch auf den Eiern, so dass nicht viel passiert sein dürfte. Sicher kann man sich da allerdings nicht sein. An diesem Platz gab es in den letzten Jahren schon mehrfach Brutverlust. Möglicherweise durch störende Einflüsse von Touristen?

Also wenn wir ein solches Schild sehen – es werden nur zwei von ungefähr 15 Horsten bewacht – oder wir merken, dass ein Tier sehr beunruhigt ist, weil wir wahrscheinlich zu nah dran sind, dann: Rückwärtsgang einlegen!

Dankeschön! 😎

Kleine Ergänzung by Admin: facebook

8 Gedanken zu „Rückwärtsgang einlegen

  1. Wanderfalkenbrut ist in vollem Gange. Infos über Sperrungen bei SBB (bergsteigerbund.de) oder NLPVerwaltung (nationalpark-saechsische-schweiz.de) erhältlich.

    @irgendeinAdministrator: Noch mal die Frage, ob es möglich ist, die Horstschutzproblematik von März bis Juni vielleicht auf der Startseite mit z. B. einem Bild(?) anzuzeigen oder anderweitig kenntlich zu machen. Vielleicht mit Link auf diesen Beitrag. ?

  2. Es ist wieder soweit! In ein bis zwei Wochen beginnt aufs Neue die Bewachung zweier Wanderfalkenhorste durch NLPVerwaltung/SBB. Da natürlich nicht nur zwei Paare dieser Spezies zur Brut schreiten und auch noch andere Arten einen gewissen Schutz brauchen, wird dieser Beitrag von mir mal eine kleine Weile an die Oberfläche geholt, vielleicht erreicht er ja ein paar “neue” Ohren bzw. Augen. 😎

    @Admin: Kann man das irgendwie machen, dass er jedes Jahr für ein paar Wochen oben steht (wie ein aktueller Beitrag)???

  3. Kann mich meinen Vor”schreibern” und picus nur anschließen. Eine zeitliche Sperrung ist die beste Lösung. Es funktioniert ja auch im Zittauer Gebirge wunderbar. Wenn ich weiß, dass ich nur in einem gewissen Zeitraum eben jene Wege nutzen kann, dann richte ich meine Touren danach aus. Manchmal ist ein Schritt zurück mehr wert als zwei vorwärts.
    Eine totale Sperrung von Wegen werde ich aber niemals akzeptieren.

  4. Ich denke mal, bei diesem Thema herrscht zu 99 Prozent Konsens. Zeitweilige Sperrungen kann jeder verschmerzen, der Weg geht ja nur bis zum Spätsommer verloren, danach kann man ihn wieder gehen. Problematisch sind hier aber nicht so sehr die Wanderer, weil diese eh nicht nahe genug an die Horste rankommen, um wirklich zu stören. Problematisch sind eher Kletterer, die Routen sehr nahe der Horste gehen und damit wirklich stören. Aber auch unter den Kletterern herrscht da fast Einigkeit: wir akzeptieren diese Sperrungen. Das verbliebene eine Prozent der Uneinsichtigen kann aber dennoch einigen Schaden anrichten. Was bedauerlich ist. Aber auch kein wirklicher Beinbruch, denn weder Uhu noch Schwarzstorch noch Wanderfalke stehen international auf der Roten Liste. Sie sind nur in der Sächsischen Schweiz selten – wie Palmen in meinem Vorgarten. Aber trotzdem: wir sollten sie schützen. Und damit komme ich auf den Kern des Ganzen: Sperrungen, die sinnvoll begründet werden und die zeitlich begrenzt sind, stoßen auf eine breite Akzeptanz. Sperrungen, die „für die Ewigkeit“ und um des Sperrens willen verhängt worden, werden dagegen allgemein missachtet. Hier sollte die Nationalparkverwaltung mal nachdenken.

    • Genau so ist es. Maßnahmen die sachlich begründet sind werden eher akzeptiert und auch meißtens verstanden, wenn die Zusammenhänge kurz erleutert werden. Denn die allgemeine Behauptung, Tiere bräuchten Ruheräume, ist ja eigentlich auch schon eine sachliche Begründung, aber eben zu allgemein. Die Zusammenhänge – Störung – Auffliegen – Nest wird kalt – Embryo stirbt – kann hingegen jeder verstehen und dann auch erkennen, dass in der kalten Jahreszeit eben auch eine kurzzeitige Störung schon ernste Folgen haben kann. Und Schilder mit solchen nachvollziehbaren Erklärungen dürften ruhig öfter zu finden sein und man kann die Schilder bestimmt auch so aufstellen, dass sie nicht als Wegweiser zu den Nistplätzen führen.
      Ärgerlich und überhaupt nicht zielführend ist es jedoch (wie auch gelegentlich im Straßenverkehr), wenn entsprechende Schilder erst unmittelbar am Sperrgebiet stehen und der Wanderer damit am Ende einer Sackgasse. In diesem Fall könnte selbst bei dem kompromissbereiten Naturfreund Frust und Faulheit dazu führen den Weg unerlaubt fortzusetzen antstatt weit zurück zu laufen. Die Schilder sollten also bereits am Anfang der Wege stehen, die durch das Schild am Ende zur Sackgasse werden könnten. Dann dürfte dem Wanderfreund eine Routenänderung abverlangt werden und auch leichter fallen. Oder kurz zusammengefasst: Nicht am Ende des Weges eine Vollscheibe aufstellen, sondern am Anfang des Weges ein Umleitungsschild. 🙂

    • @Zwillingsstiege: Die kleinen Änderungen sind OK so, ansonsten vielen Dank für die Einstellung und die Bebilderung.
      Hab das damals auch gelesen und denke, man sollte da ab und zu wieder dran erinnern, damit man vielleicht auch ein paar “neue” Ohren erreicht bzw. bei manchem die Instinkte (hier: zu merken, wenn ein anderer – egal, ob Mensch oder Tier – sehr aufgeregt ist), die uns eigentlich innewohnen sollten, vielleicht wieder geweckt werden.

Schreibe einen Kommentar