Die Dunkelheit wird lebendig

„Die Dunkelheit wird lebendig – sie bekommt Gesichter, Arme und Beine. Richtet man die NachtlichtLampe darauf, verwandeln sich solche Erscheinungen blitzschnell und scheinfromm in harmlose Bäume und Steine – doch man spürt ganz sicher: Sobald man ihnen den Rücken zukehrt, nehmen sie wieder ihre alte Gestalt an.“

Diesen Satz findet man in einem Erlebnisbericht vom Sandsteinblogger, der zwar schon eine Weile dort verfügbar ist, den ich aber doch nochmal würdigen muss. Denn wer schon mal im nächtlichen Draußen unterwegs war, der weiß auch wie wunderbar anschaulich diese Beschreibung ist. Und der Bericht erinnert mich an mein „Erstes Mal“. Das erste Mal „Boofen“ und überhaupt, das erste Mal im Sandstein.

Meine Güte, war es `79 oder `80? Ich hatte erste Kenntnisse von Klettern erworben und in dem Zusammenhang vom Boofen gehört. Na und das passte aber haargenau auf meine romantisierte Karl-May-Daniel-Boone-Western-Outdoor-Vorstellung. Das musste ich haben, auch ohne Anleitung oder Führung – Karte her – Waschbärmütze auf – los ging’s.
Wie gesagt, noch nie im Sandstein gewesen, aber Schmilka war das Ziel, das war auch am weitesten von zu Hause weg und am nächsten am Herz der Wildnis. Auf der DDR-Wanderkarte waren dies für mich die Richterschlüchte. Da waren die Felssymbole so eng beieinander, ein einzelner Weg mitten drin und ringsum nur Grün. – – – Aber erstmal kam ich mit einem Kumpel in Schmilka an. Vorher hatten wir in DD noch Umsteigezeit und damit Gelegenheit den fehlenden Speck einzukaufen. Die Frage beim Fleischer, ob denn der Speck geräuchert sei, bescherte mir noch die seit dem von mir für die schönste aller Antworten gehaltene Bestätigung – „Nu!“. Was will man mehr? natürlicher Eindruck

Mit dem positiven „Nu!“ im Kopf ging‘s von der Schiene auf die Fähre ins liebenswerte Schmilka. Seit dem und immer noch und Heute gar erst recht – das schönste Fleckchen im ganzen Gebiet. Natürlich fehlt heute der pulsierende Transitverkehr etwas. Aber wir vermissen ihn doch weniger als den Fassbrauseausschank an der überdachten Terrasse vom GrenzEck. Aber damals war alles noch da und wurde links liegen gelassen – um hinauf zu kommen. Denn der Berg ruft: „Hinauf!“. Und hinauf müssen wir, denn nur oben sind die Felsen. Und unter den überhängenden selbigen sollen sich diese sogenannten Boofen finden.

Die ersten Felsen schimmern durch die Bäume. Erst links, dann rechts. Also los – Zeit ist Licht! Wir waren ja Freitag nach der Arbeit losgestürmt, im Sommer zwar, aber „nach der Arbeit“ bedeutete damals nach 16:15, auch freitags. Zum Bahnhof rennen, Speck kaufen, umsteigen – und so wurde es schon langsam dämmrig – und sackzement nochmal – die Felsen haben hier keine verdammten Überhänge. Ich dachte, die wären hier überall zu finden. Aber na gut! Wir hatten, in weiser Voraussicht und realistischer Einschätzung der eigenen (also nicht vorhandenen) Kenntnisse der Gegebenheiten, wenigstens ein Bergzelt „Fichtelberg“. Und das war auch gut so. Nochmal 100, 200, 300 m weiter. Nein, kein Überhang, noch nicht mal die waagerechten 3m² für das Fichtelberg waren leicht zu finden. (Achtet mal drauf!) Mannomann! Aber schließlich doch – Zelt hinstellen – Feuer verbietet sich aufgrund des Untergrundes (damals machte man noch kein Feuer auf Waldboden) – also three, two, one, zero „Juwel – lift off!“ – „Nu-Speck“ in die Pfanne – Zwiebeln und Bohnen drauf – weichkochen – essen – wunderbar. So sollte Leben sein. Inzwischen war das letzte Sonnenlicht im Rot an den Wänden über uns verblasst und die Nacht schon ganz erdunkelt. Abendrot Ich entferne mich aus hygienischen Gründen, steige etwas höher, zu einer Lücke in der Felswand, und schaue in ein dahinter sich ausbreitendes Talrund. – – „Komm‘ mal her! GROßARTIG!“

Im dunklen Talrund hinter der Lücke schweben und flackern in verschiedenen Höhen mindestens 6-10 Lichtfunken in der Nacht. Sowas Schönes werde ich wohl kaum wieder sehen. The Ring of Fire. Großartig. Lagerfeuer – das sind sie – dort sind die Boofen. Dort, in unwägbaren Höhen. Unfindbar für den Uneingeweihten.

Nächsten Tag ging‘s weiter und wurde richtig dramatisch – wer mehr wissen will fragt nach und liest inzwischen den großartigen Nachts-unterwegs-Bericht vom Sandsteinblogger Hartmut Landgraf, der mir diese Erinnerung ans „Erste Mal“ aktivierte.

Danke dafür. Und bitte nicht mehr nachts allein in nebliger Finsternis auf schmalen Terrassenwegen langschleichen – wir wollen doch noch mehr so schöne Beiträge lesen.

6 Gedanken zu „Die Dunkelheit wird lebendig

  1. Dein Bericht ist wirklich schön. Genau so fühlt sich das an – draussen in unserem Gebirge! Danke für die wunderbaren Zeilen.
    Das mit dem Fuchs passiert nur ein einziges Mal. Danach weiß man das dieses Tier nur neugierig ist, oder aufs Futter scharf, welches im Rucksack schlummert. Bei jeder zweiten Nacht draussen ungefähr (ja Statistik…) habe ich eine Fuchsbegegnung, diese zum Teil ungewollt sehr nahe (wenige Zentimeter, Fuchs-Schnauze an Menschen-Schnauze…). Mittlerweile genieße ich das. Mäuse sind sowieso immer da, wirklich jede Nacht an jeder Stelle zu jeder Jahreszeit. Nach einigen Übernachtungen gewöhnt man sich an die Tiere, die Geräusche aus dem Wald. Nur an eine Sache nicht: die Mücken!
    Wie du geschrieben hast, abends ist keine Menschenseele, gleich gar nicht lärmende Touristen, unterwegs. Aber auch morgends nicht. Somit ist die Zeit von Sonnenaufgang bis vielleicht 10 Uhr und die Zeit von 17 Uhr bis Sonnenuntergang eigentlich die ruhigste und schönste Zeit im Gebirge. Die 7 Stunden dazwischen verdrücke ich mich irgendwo. Vielleicht in eine Höhle, vielleicht zum Standortwechsel bissel wandern, vielleicht auch in einer Boofe (es gibt immer was zu tun, und wenn man sich einen Löffel schnitzt). Aber die restliche Zeit des Tageslichtes wird genutzt. Frei sein, allein sein. Eins mit der Natur. Herrlich!

    • Da hast du völlig richtig, aber damit du mich nicht mit fremden Federn schmückst – der schöne Bericht über Schatten, Fuchs und in Spalten schlafen stammt nicht von mir, sondern vom Hartmut (Sandsteinblogger) Landgraf.

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