Warum eigentlich? 2/2019

Da gab es Anfang Februar eine Erfolgsmeldung von der Nationalparkverwaltung, die aufgrund der ärgerlichen Vorgeschichte und der Art der Durchführung bei mir eine kurze Aufregung und eine längere Nachdenkzeit verursacht hat. Unter dem Titel

Foto: Landestalsperrenverwaltung, Martin Schulze

„Sedimentumlagerung in der Oberen Schleuse Hinterhermsdorf“ wurde der Abschluss der Arbeiten verkündet, die ein Stiegenfreund etwas unfreundlich als „Dreck von einer Ecke in die andere geschaufelt?“ kommentierte.

Ich dachte mir damals: Mannomann! Ich bin kein Fachmann für Wasserbau, aber das liest sich doch wie eine Umformuliererei, um die Sache nur ja nicht beim Namen zu nennen, wie ein Bankraub ja auch nur eine Umverteilung von Geld ist. Für mich ist das wieder mal nur ein Selbstbetrug, bei dem die Verantwortlichen sich auch nicht entblöden dusseliges Zeug zu schwätzen.

Wir erinnern uns mal worum es ging und wie es gänge:

– im Stau oberhalb der Mauer lagert sich mit der Zeit Sand ab (ist logisch und natürlich, denn)
– so ein Stau bremst die Fließgeschwindigkeit, der Sand setzt sich und bleibt liegen
– das ergibt gleich zwei ungewollte Effekte: 1. entzieht es dem Flussbett den wichtigen Gestaltungs-Rohstoff Geschiebe und 2. Der Boden in der Schleuse steigt an und die nutzbare Wassertiefe wird geringer, endlich wird die Kahnfahrt unmöglich
– früher hat man einfach in der Ruhezeit der Kahnfahrt die Staumauer geöffnet und das frei durchfließende Wasser hat bis zur nächsten Saison wieder viel Sand rausgespült und über den natürlichen Weg in die Elbe transportiert
– dabei strukturiert der Sand unterwegs das Flussbett in ganz natürlicher Art
– ohne menschliches Zutun bilden sich so wenigstens für die 5-6 Monate natürliche Sandbänke, Flach- und Tiefwasserstellen usw.
Fertig.

Die unerfreuliche Vorgeschichte ist der Streit um Verantwortlichkeit und Durchführung: Die Kahnfahrt wurde zunehmend bedroht – dem Betreiber wurde jedoch die traditionelle Methode der Entschlammung verboten. An nachvollziehbare oder gar sachliche Begründungen dafür kann ich mich nicht erinnern. Da aber nun der Nationalpark sich nicht zum wiederholten Male negative Schlagzeilen leisten wollte, wie sie zwangsläufig die Schließung einer so bedeutenden touristischen Einrichtung nach sich gezogen hätte, musste ein Ausweg gefunden werden.

Nun hatte man sich aber ja selbst die klassische Methode so schlimm geredet, dass man dies auf keinen Fall nochmals hätte zulassen können. Also nimmt man es lieber in die eigene Hand, nach dem Motto „Wir sind Fachleute und machen das richtig!“

Aber seit ich das zum Beitrag auf der Nationalparkwebseite veröffentlichte Bild gesehen habe dachte ich:
– Da stellen wir also jetzt lieber Maschinen ins naturgeschützte Kernzonenwasser (super! macht nix, die paar Hydraulikölkleckse bauen sich in wenigen Monaten ab)
– wir dürfen den Sand aber nicht “entsorgen” (wäre wohl dann auch Sondermüll?)
– und einfach wegschaffen wäre ja eine streng verbotene Entnahme von Material aus dem Nationalpark!! (den treffenden § der Nationalparkverordnung suche ich nicht erst heraus)
– also “lagern wir um”, das ist offenbar durch keinen § verboten (Das merken wir uns 😉 )
– wir erfinden eine “Verbesserungsmaßnahme” und “bauen” den Sand woanders wieder ein. Zum Glück gibt es Bereiche mit großen Sohlausspülungen (ein schlimmer und jedem sofort als schädlich erkennbarer Zustand). Gemeint sind offenbar “zu tief” gewordene Stellen im Flussbett (jaja, ich weiß, fehlendes Geschiebe führt auf Dauer zu einer ungewollten Eintiefung des Flusslaufes, aber warum darf sich der Fluss seinen Sand nicht selbst aus der Schleuse holen und hinlegen wo er will???)
– Vielleicht sind „Bereiche mit Sohlausspülung“ aber auch einfach nur Bereiche, aus denen der hingelegte Sand auf natürliche Weise wieder weggespült wird?
– ABER NEIN – ICH DUMMERCHEN, dann hätte man ja auch einfach die Schleuse im Winter öffnen und die Beräumung dem Wasser überlassen können.
– Ein beliebtes Nationalparkmotto würde ein solches Vorgehen zwar durchaus stützen, aber das „NATUR NATUR SEIN LASSEN“ hört man von Verantwortlichen eigentlich immer nur dann, wenn es als Begründung dient – etwas NICHT zu tun, meistens, wenn es Außenstehende als erforderlich ansehen …
– Aber o.k., wir sind die Herren der Welt, müssen eingreifen und der Natur helfen, nur: Was ist zu tief und wer legt das fest? Und wer schafft es gleichzeitig “zu tiefe” Stellen zu beseitigen und Tiefwasserstellen zu erhalten??? Nur Fachleute natürlich.

Also ich bin begeistert … Mit so viel Aufwand, unsinnigen Worten und zusätzlichen Verschmutzungen künstlich etwas zu erzeugen, was natürlich viel besser, kostenlos und ohne Schmutz gegangen wäre … Nein, nicht wirklich, war natürlich Sarkasmus.

Ich bin sogar stinksauer und mich bewegten die oben schon genannten Verdachtsmomente noch so sehr, dass ich jetzt mal recherchieren musste, ob die Verantwortlichen nicht vielleicht doch so schlau waren, eventuell wenigstens Elektrobagger zum Einsatz gebracht zu haben. Sowas gibt es nämlich.
Das Bild auf der Nationalparkseite ist leider (oder mit Absicht?) etwas gering aufgelöst. Auf der Seite der Talsperrenverwaltung ist es aber nicht nur als „rechtefrei verwendbar“ deklariert, sondern auch zum Download in einer besseren Auflösung bereitgestellt. Demnach wurden die Bagger beim Baumaschinenverleiher „CRAMO rental“ gemietet und der bietet auch verschiedene elektrobetriebene Kleinbagger an (teurer als „normale“). Im Bild ist nun auch der Bagger-Typ erkennbar. Es ist ein YANMAR SV 18 (günstiger als elektro). Man liest über seine Vorteile, hat jetzt eine kürzere Vorglühzeit – woraus ich schließe – ein Diesel. Ich nehme ebenso an, dass die beweglichen Teile mit mineralischen Fetten geschmiert sein dürften und auch die Hydraulik mit üblichem Hydrauliköl gefüllt sein dürfte. Es gibt zwar biologisch schneller abbaubare Hydrauliköle und solche gelten inzwischen im Forst, in den beliebten Holz-„Erntern“, als flächendeckend im Einsatz. Aber selbst solche Öle gehören natürlich nicht in die Natur – NICHT in Gewässer – UND ERSTRECHT NICHT in einen Nationalpark – Kernzone oder nicht, ist dabei schon ganz egal.

Wenn ich dem Sachsenforst durchaus zutraue (ist aber mehr aus Hoffnung, als aus Vertrauen begründet), in ihren eigenen Waldmaschinen Bio-Hydrauliköl zu nutzen, bezweifele ich doch sehr, dass der Maschinenverleiher solches in seinen Maschinen hat, die ja üblicherweise nur auf gewöhnlichen Baustellen im Einsatz sind. Aber wäre auch fast egal, denn der Dieselmotor spuckt sicher über die vielen Arbeitsstunden genügend Ruß- und Ölpartikelchen in die Natur. Und ob die im Grund wühlenden Antriebsketten, der Greifarm und das Schiebeschild wohl vor dem Einsatz entfettet worden sind?

Ich stelle der Nationalparkverwaltung hier und in einer Mail an den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und den Referenten für Arten-, Biotop- und Naturschutz folgende Fragen:
– Was sind Bereiche mit großen Sohlausspülungen?
– Sind es, wie ich vermute, Bereiche aus denen Material schneller oder umfänglicher ausgespült wird? Welchen Sinn hat es dann, an diese Stellen spülfähiges Material „einzubauen“, welches ja dann doch wieder verschwindet?
– Oder sind es einfach tief ausgespülte Bereiche? Nach welchen Kriterien wurde dann von wem festgelegt, welche Tiefstellen im Gewässer aufgefüllt werden können und sollen und warum?
– Welche sachlichen Gründe gibt es, die „klassische“ Ausspülung der abgelagerten Geschiebemengen durch die geöffnete Staumauer im Winter zu verbieten?
– Warum wurden zur maschinellen Beräumung keine Elektrobagger eingesetzt?
– Wie stellt sich der Nationalpark zu der Tatsache, dass mitten in der Kernzone des Nationalparks, in einem geschützten und empfindlichen Naturgewässer, zwar über viele Stunden oder gar Tage mindestens zwei dieselbetriebene und hydraulikölbefüllte Baumaschinen im Flussbett wühlen dürfen, dieses Tun der Öffentlichkeit nicht nur als erforderlich, sondern sogar noch als erfolgreich und lobenswert dargestellt wird – während es dem vereinzelten Wanderfreund unter Androhung von Strafverfolgung verboten ist barfüßig durch das gleiche Flussbett zu waten, weil er dadurch angeblich das empfindliche Ökosystem nachhaltig schädigt?

Ich bin gespannt, ob es Antworten auf diese Fragen geben wird und stelle fest, dass man, egal wie diese Antworten ausfallen könnten, mit derartigen Aktionen weder Freunde, noch Verständnis für die berechtigten Anliegen eines Nationalparks gewinnen kann. Ich halte mich prinzipiell für einen Nationalparkbefürworter, aber es ist für mich inzwischen zu einem anhaltenden Ärgernis geworden, dass alle paar Jahre wieder eine umfängliche und kostenintensive Studie in Auftrag gegeben wird und die darin gegebenen Empfehlungen in vielen Bereichen, speziell bemerkbar in der Öffentlichkeitsarbeit, offenbar konsequent ignoriert werden.

Dabei wäre ohne Studie, von jedem vernünftigen Menschen, die kostenlose Empfehlung zu erhalten: Betreibt eine ehrliche und offene Kommunikation, die unbedingt auch sachliche und damit nachvollziehbare Begründungen enthalten muss. Zeigt im eigenen Handeln möglichst keine Widersprüche zu propagierten Zielen und gewünschten Verhalten von Nationalparkbesuchern.

Was mir beim abschließenden Betrachten des obigen Bildes noch auffällt:
– Was machen die Bagger da eigentlich? Heben die den Sand nur ein paar Meter nach rechts und links? Oder fahren die mit jeder Schaufel bis zum Einbau in den „Stellen mit großen Sohlausspülungen in der Kirnitzsch“? Nein, das bestimmt nicht, denn die Bagger stehen ja IN der Schleuse und kommen dort gar nicht heraus. Wurde der Sand auf Lastkähne verfrachtet? Oder konnten die Bagger den Sand bis zu einem Wagen auf dem Uferweg hochheben? Ein offenes Rätsel, dass einer offenen Antwort harrt.
– Und ich denke mir, die wirbelten jedenfalls ganz schön viel Dreck auf. Und zwar in einer Zeit mit relativ niedrigem Wasserstand, also mit wenig Wassermenge. Das führt zu einer eigentlich unnötigen und unnatürlich hohen Schwebstoffbelastung im Wasser. Infolge der niedrigen Fließgeschwindigkeit wird sich der „Feinstaub“ als Belag auf Pflanzen und Boden legen und unnötig lange dort verweilen. Nach meinem Kenntnisstand ist so etwas ungünstig für alle Bewohner. Natürlicher Weise würden die beweglichen Sande und Schwebstoffe hingegen hauptsächlich nur in den Zeiten mit hohem Wasserstand, stärkerer Strömung und mehr Wasser bewegt werden. Dadurch wird das Wasser weniger eingetrübt und es lagern sich auch weniger Schwebstoffe unterwegs ab. Beziehungsweise nur in den begrenzten Bereichen mit wirklich ganz geringer Strömung.
Aber das werden die Fachleute sicherlich alles berücksichtigt haben.

4 Gedanken zu „Warum eigentlich? 2/2019

  1. Da schließe ich mich dem spreewolf gleich an – vielen Dank! Bin auch sehr gespannt, ob und was der NP antwortet (und wieviel Gehalt die eventuelle Antwort hat).
    Was tief genug ist, ist sicher irgendwo gesetzlich geregelt. Siehe mein aktuelles Lieblingsbeispiel des stellenweisen Geländers an der Winterbergstraße. Dafür darf man dann auch mal einen (historischen) Sandsteinblock absägen.

  2. Im Grunde ist es immer dasselbe: Die Nationalparkverwaltung rückt keine Informationen raus. Keinerlei Begründungen, keine Ziele, welche konkret bei so einer Aktion anfallen. Sie gibt keine Termine frei, wo solche Arbeiten angekündigt werden, immer sind plötzlich Maschinen da in der Wildnis und machen irgendwas.
    Eine schöne, immer wieder passende Erklärung, das wäre die Verkehrssicherungspflicht. Klar doch! So ein Kahn mit Touristen könnte auf eine Sandbank auflaufen, vielleicht sogar kentern. Und so viele Menschen würden dann im flachen Wasser ertrinken…
    Welche Ursache diese Sandbänke haben, das ist doch gar nicht die Frage. Die Sandbänke sind nun mal da, also müssen sie weg. Dasselbe mit meinem “Lieblingsthema” Borkenkäfer. Die Bäume sind tot, wo der Käfer war. Aber das ist ja egal, nun sind diese Bäume eine Gefahr und müssen weg. Sind da etwa Parallelen auszumachen?

  3. Das ist ja die pure Fleißarbeit. Vielen Dank dafür.
    Für mich stellen sich ernsthaft gleich zwei Fragen:

    1. Sollte das nicht durch den Rechnungshof überprüft werden?
    2. Sollte das nicht von der Staatsanwaltschaft überprüft werden? Vorsatz und Verdacht auf eine Straftat kann ich mir als Laie vorstellen.

    ???

    Reicht eine einfache E-Mail an diese Behörden aus?

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