Die Evaluierung eines Nationalparks

Am 01.11.2012 wurde von der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz und dem Umweltminister Sachsens, Frank Kupfer, der „Komitee-Bericht zur Evaluierung des Nationalparks Sächsische Schweiz“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Komitee aus 17 Personen, bestehend aus Angehörigen von Naturschutzämtern, Universitätsprofessoren (Sachsen wurde vertreten durch Prof. Dr. Peter A. Schmidt aus Tharandt), Mitgliedern einer zoologischen Gesellschaft und Angehörigen anderer Nationalparks, beurteilten ausführlich den erreichten Stand im hiesigen Nationalpark. Die Methoden und die Ausgangssituation sind im Teil A des Berichtes nachzulesen.
Im Teil B des Berichtes wurden nun die verschiedenen Aspekte des Nationalparkes geprüft, bewertet und Handlungsempfehlungen in drei Dringlichkeitsstufen niedergelegt. Die getroffenen Empfehlungen der Evaluierung besitzen jedoch keinen rechtlich bindenden Charakter, sondern sind eher als „informativ“ einzustufen.

Was wurde nun herausgefunden? Zwei wichtige Punkte wurden bereits in den Medien vom Umweltminister angesprochen: Zum einen wurde bemängelt, dass es im Nationalpark zu viele Wege und damit zu viele „zerschnittene“ Landschaft gäbe. Zum anderen wurde kritisiert, dass die Überführung der Flächen in „Wildnis“ zu lange dauert – 2008 sollten bereits 50% der Gesamtfläche des NP als Naturzone A (ohne Eingriffe) ausgewiesen sein, momentan sind erst 36% erreicht. Zitat: „Die Kernaufgabe ‘Naturentwicklung ohne nutzende und lenkende Eingriffe’ wurde demzufolge bisher kaum erfüllt.“ Der Minister will in beiden Fragen allerdings an der bisherigen Vorgehensweise festhalten. Wir als „IG Stiegen- und Wanderfreunde“ stimmen mit ihm darin überein, dass es im Nationalpark keinesfalls zuviele Wege gibt; in der zweiten Frage nehmen wir allerdings eine Gegenposition ein – wir stehen für die Auffassung „Natur Natur sein lassen“ und viel weniger maschinengestützten Waldumbau speziell in sensiblen Bereichen des Schutzgebietes.

Weiterhin wurde im Bericht kritisiert, dass der Nationalpark als einziger in Deutschland keine eigenständige Behörde mit Vollzugsrechten ist, sondern dem „Staatsbetrieb Sachsenforst“ und dem sächsischen Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft zu- und untergeordnet ist. Wir sind der Meinung, dass es nicht sein kann, dass eine Naturschutzbehörde einem gewinnorientiertem Wirtschaftsunternehmen untergeordnet ist und die finanzielle Austattung von wirtschaftlichen Erträgen desselben abhängt.

Auch in der Personalpolitik hat der Nationalpark Schwächen. Durch die mangelhafte finanzielle Ausstattung und Überalterung fehlen an wichtigen Stellen Mitarbeiter, z.B. bei der Wegeinstandhaltung und im Bereich Bildung/Öffentlichkeitsarbeit. Unser schon mehrfaches Angebot an die NPV für Arbeitseinsätze wurde bisher jedoch noch nicht angenommen.

In Erweiterung des oben schon angesprochenen Themas der zu kleinen Naturzone A empfiehlt das Komitee in der Zone A die Einstellung der Borkenkäferbekämpfung mit Ausnahme eines 500-Meter-Randstreifens bei angrenzendem Privatwald und in großen Teilen der Zone B zum Erreichen des 75%-Wildnis-Ziels bis 2020. Desweiteren wird die Einrichtung von ganzjährigen Jagdruhezonen und die Zurückdrängung invasiver Arten (Weymouthskiefer, Roteiche, Muffelwild) gefordert. Die Waldbehandlungsgrundsätze sind zu stark forstlich orientiert und müssen sich stärker auf naturschutzfachliche Belange ausrichten. Wir gehen mit allen diesen Forderungen konform.

Fazit: Der Evaluierungsbericht zeigt viele Stärken, jedoch auch viele Schwächen des Nationalparkkonzeptes auf. Viele der Probleme wurden durch die IG bereits erkannt, immer wieder angesprochen und bleiben auch solange auf unserem Plan, bis Veränderungen erreicht werden.

Links:
Evaluierungsbericht auf der NP-Webseite
Sachsenspiegel-Video (bei der SZ)
Kommentar unseres Ehrenmitgliedes Rolf Böhm

5 Gedanken zu „Die Evaluierung eines Nationalparks

  1. Evaluierung des Nationalpark? Evakuierung nach Nochten! Zumindest der Testlauf. Hier können dann alle Beteiligten erst einmal Ihre Ideen probeweise in die Tat umsetzen. Die Ergebnisse stören dann maximal die Bundeswehr und/oder die dort (über)lebenden Wölfe. Ich denke, ein konsequentes Neubauverbot für Immobilien und Wege reichen für die sächsische Schweiz vollkommen aus.
    Dazu die üblichen zeitlichen Wegesperrungen wegen brütender Vögel. Für mich ausreichend.
    Vielleicht muß man einfach nur mal Abstand gewinnen. Da stehen sich aber die “Interessenten” aller Seiten in Ihrer Rechthaberei selber im Wege?

  2. Ich habe den Bericht nun auch gelesen und hab mich auch schon wieder etwas beruhigt.
    Damit ich hier nicht für Überlänge gerügt werde, findet sich mein bissiger Kommentar unter: Forum » Sandsteinwandern » Forum zum Elbsandsteingebirge » Wie weiter im Nationalpark Sächsische Schweiz? Minister Kupfer bezieht Stellung!

    • Es geht um das grundsätzliche Konstrukt, was aktuell existiert. Von anderen Geburtsfehlern möchte ich gar nicht erst anfangen zu reden – es ist auch nicht meine Zeit. So, wie die Situation jetzt ist, kann man nicht noch auf Jahrzehnte weitermachen.

  3. Bei dieser Thematik merken wir doch eins: Anspruch und Wirklichkeit klaffen so weit auseinander, dass einem die Haare zu Berge stehen. Und das ist auch gut so.

    Irgendwelche prozentualen Ziele zu festen Termine erreichen zu wollen, heißt nichts anderes als mit der Harvester-Methode den Wald zu zerstören und dann mal schauen, was draus wird.
    Der Nationalpark als Teil des Sachsenforstes ist eine Steißgeburt. Der Mensch ist des Menschen Wolf – der Sachsenforst ist des Nationalparks Wolf – Homo homini lupus – eigentlich passt das alles. Und wer immer noch sagt, der Sachsenforst würde sich für den Naturschutz einsetzen, der hat einen an der Klatsche.

    Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Entweder mehr Geld in den Nationalpark, damit dieser eigenständig wird, oder den kompletten Laden sofort dicht machen. Der Natur würde es vielleicht sogar helfen!

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