Ich hab mal die Zusammenfassung der Ergebnisse der Akzeptanzbefragung von 2012 zum Nationalpark Sächsische Schweiz durchgelesen.
89,1 % der Studienteilnehmer bewertet die Existenz des Nationalparks positiv. Aus meiner Sicht erstmal logisch und eigentlich weniger, als ich erwartet hätte, denn so eine allgemeine Fragestellung ist doch nur positiv zu beantworten. Die Wenn und Aber müssen anders abgefragt werden.
Wie zum Beispiel die Auswirkungen auf ökonomische Teilbereiche, die dann auch gleich deutlich ambivalenter bewertet werden. Man glaubt zwar an die positiven Effekte für den Tourismus und die Beschäftigungssituation, äußert aber vermehrt Bedenken bezüglich eventueller schädlicher Einflüsse auf die Wirtschaft im Allgemeinen und die Landwirtschaft im Speziellen.
Die Studie ergibt auch, dass der Nationalpark bei den Einheimischen beliebt ist, aber mit abnehmender Tendenz. Oho! Sag ich da. Tendenzen sind aus meiner Sicht die wichtigsten Aussagen in Befragungen und wenn die Beliebtheit bei den Einheimischen abnimmt, dann ist das auf jeden Fall kein anzustrebendes Ergebnis.
Die Verwaltung dürfe sich zur Bewertung ihrer Arbeit über tendenziell gute Noten freuen, nur durchschnittlich werde allerdings die Unterhaltung von Aussichtspunkten bzw. das Freihalten von Aussichten beurteilt.
Weitaus höhere Brisanz hätten aber die Waldumbaumaßnahmen. 80 % der Studienteilnehmer kritisieren (zumindest teilweise) die (Nicht-) Beseitigung von ggf. bereits entstandenen Schäden und sprechen sich deutlich gegen den Einsatz von Maschinen für eine Kosten sparende Realisierung der Waldpflege aus.
Konflikte zwischen der Nationalparkverwaltung und den Einheimischen wären in einem deutlich geringeren Umfang bekannt, als noch vor zwölf Jahren. Immerhin weisen aber noch 27,7 % der Studienteilnehmer, auf solche Auseinandersetzungen hin und der Anteil an Vorfällen, bei denen man in der nahen Zukunft von keinem Interessenausgleich ausgeht, liegt sogar unverändert hoch bei 67,5 %. Die nicht immer als konsensual empfundenen Konfliktlösungsstrategien der Nationalparkverwaltung würden hierbei vermutlich eine entscheidende Rolle spielen.
Die vom Nationalpark durchgesetzten Gebote würden im Normalfall akzeptiert. 25,3 % der Studenteilnehmer stoßen sich allerdings an der Vorschrift, in der Kernzone des Nationalparks die gekennzeichneten Wege nicht zu verlassen.
Die Studie stellt fest, dass sich in den letzten sechs Jahren die Intensität der Kontakte zwischen Einheimischen und dem Nationalparkpersonal erhöht hätte und die NP-Mitarbeiter tendenziell als interessiert, glaubwürdig, engagiert, freundlich und aufgeschlossen beurteilt werden. 22,6% empfinden sie jedoch ebenfalls als bestimmend bzw. diktierend.
Wobei sich dieser weniger erfreuliche Befund – wie auch die Charakterisierung insgesamt – in den letzten Jahren zunehmend weiter zum Positiven wandelte. Hier meint die Zusammenfassung wahrscheinlich nur die Mitarbeiterbewertung.
Denn im kompletten Untersuchungsbericht ergibt sich von 2006 zu 2012 eine Abnahme bei der allgemeinen Beliebtheit des NP um 5,4 Prozentpunkte und bei der Zufriedenheit mit der Arbeit der NPV um 1,3 Prozentpunkte. Das wiederum sollte sehr bedenklich stimmen, da gleichzeitig die Bestrebungen der NPV, Konflikte mit den Einheimischen im Konsens zu lösen, um 1,7 Prozentpunkte besser bewertet werden. Für mich bedeutet das, dass im Zeitraum mehr neue Konflikte aufkeimten, als trotzt besserem Bemühen gelöst werden konnten. Aus dieser Sicht erklärt sich dann auch die abnehmende Beliebtheit und Zufriedenheit.
Zur Aussage „Naturschutz ist wichtig“ ergibt sich natürlich wieder eine 87,7 %ige Zustimmung, wobei die Relevanz im Längsschnittvergleich eher nachgelassen hätte.
Soso. Sag ich da. Solch kurze Nebenaussagen machen mich aufmerksam und stimmen mich bedenklich. Denn genau hier erkenne ich das Wirken des oft erwähnten Bambisyndroms. Das sind die Auswirkungen des Aussperrens des Menschen aus dem Naturraum. Es ist sozusagen die wachsende geistig/emotionale Entfernung, welche zwangsläufig der zeitlich/räumlichen Entfernung folgen muss.
Ein Sprichwort fasst es treffend kürzer: Aus den Augen – Aus dem Sinn.
Uns wundert es sicher nicht, dass bei den positiven Assoziationen durch den Nationalpark die Erholungsmöglichkeiten mit 77,1 % genannt werden und der ungehinderte Ablauf von Naturvorgängen erst mit 51,7 %. Ob die Verantwortlichen daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen? Für die einheimische Bevölkerung würde sich der NP jedenfalls immer mehr zu einem Ort der aktiven Erholung entwickeln und das Wandern stünde dabei mit 81,6 % eindeutig an erster Stelle.
50,1 % suchten aber auch Ruhe und Entspannung wobei ich mir nicht so recht vorstellen kann was diese Leute dann im Gelände anstellen. Ich mag diese künstliche Interessenaufspaltung gar nicht. Zwischen Wandern und Ruhe und Entspannung suchen besteht für mich kein nennenswerter Unterschied, da die betreffenden Leute die Landschaft in leicht abweichender Intensität, aber doch in sehr ähnlicher Art nutzen. Etwas anders wäre es wohl bei Bikern, Campern u.ä. Nutzern, die dann doch ganz andere Ansprüche haben, andere Vorraussetzungen benötigen und auch andere Veränderungen in der Landschaft bewirken. Wanderer und Ruhesuchende dürften die Landschaft wohl in ähnlicher Weise beeinflussen. Nämlich unwesentlich, sofern vernunftbegabt und nicht in Bussen hingekarrt.
Bei den Antworten auf die fiktive Frage, welche Ziele man sich als „Leiter der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz“ setzen würde, ergab sich die folgende Platzierung.
Platz 1 – Verkehrslenkung und Verkehrsberuhigung
Platz 2 – Schutz des Parks vor touristischer Überlastung
Platz 3 – Zusammenarbeit in Sachen Naturschutz mit der Böhmischen Schweiz
Diese Zielstellung wurde sogar am häufigsten genannt, in ihrer Relevanz jedoch eher nachrangig eingestuft. Ob hierbei ausschließlich die Zusammenarbeit beim Naturschutz, oder auch bei den touristischen Möglichkeiten gemeint war konnte ich nicht erkennen.
Der Bericht erkennt weiter, dass der Bedarf an Informationen zu den verschiedenen Aufgaben und Zielen des Nationalparks im Verlauf der letzten zwölf Jahre nachgelassen hätte. Da ist es schon wieder! Ganz bedenklich. Ich habe mal gelernt, dass (ganz allgemein gültig) ein Kunde der sich noch beschwert, immer noch ein Kunde ist. Denn er kommuniziert noch, er ist noch interessiert. Der allerbeste, also der bestens gebundene Kunde ist sogar der, dessen Beschwerde zu seiner Zufriedenheit bearbeitet wurde. Große Firmen haben oft sogar ein auf diese Besonderheit abgestimmtes Beschwerdemanagement. Wenn sich der Kunde nicht mal mehr beschwert, nicht mehr interessiert, dann ist er quasi schon kein Kunde mehr. Dann ist er verloren. Weg.
Dass die einheimische Bevölkerung nur zu 52,9 % wusste, dass Nationalpark nur rechtselbisch existiert, ist für mich kein Hinweis auf eine Unfähigkeit der Bevölkerung. Es bedeutet eher, dass die NPV oder die Politik die Bevölkerung noch nicht als „Kunden“ gewinnen konnte. Oder schon wieder verloren hat.
Dass sich die Einheimischen laut Umfrageergebnis trotzdem „immer besser informiert“ fühlen, sollte nicht nur zum Schmunzeln veranlassen, sondern auch bedenklich stimmen. Wenn sich 75,7 % ausreichend informiert fühlen, obwohl sie recht wenig konkretes Wissen haben, dann zeigt das doch recht deutlich, dass das Interesse nicht sehr hoch ist, oder schon Resignation eingesetzt hat. Und das ist nicht Schuld der Bevölkerung.
Ein klares Votum (76,5 %) gab die einheimische Bevölkerung für Auffangparkplätze am Rande und Zubringer-Busse in den Nationalpark ab.
Die mehrheitliche Einschätzung, dass der Nationalpark bei den Einheimischen beliebt ist, erfährt mit höherem Alter sinkende Zustimmung. Generell hat sie im Zeitverlauf etwas abgenommen. Das sagt uns aber doch, je mehr man den NP kennen lernt, umso weniger mag man ihn.
Die Umfrage-Zusammenfasser stellen auch fest:
- Die Waldumbaumaßnahmen und insbesondere der Maschineneinsatz stellen das Negativ-Thema Nr. 1 im Zusammenhang mit dem Nationalpark dar – hier müssen etwaige künftige Ausstrahleffekte auf die Gesamtakzeptanz des Nationalparks im Auge behalten werden. (Wie wahr, sag ich da.)
- Das Votum für Auffangparkplätze und Zubringerbusse sollte nicht zu Schnellschüssen in der Realisierung verleiten, denn die Einheimischen befinden hier über etwas, von dessen Nachteilen nicht sie, sondern die Auto fahrenden Touristen betroffen wären. Hier gilt es einen Spagat zwischen den Wünschen der Einheimischen und den Bedürfnissen eines vermutlich großen Teils der Touristen zu machen. (Wie wahr, sag ich da.)
- Aus einigen Befunden ergibt sich das Dilemma, dass einerseits von positiven Effekten des Nationalparks auf den Tourismus ausgegangen wird, andererseits die touristische Nutzung eingeschränkt werden soll. (Wie wahr, sag ich da.)
- Die im Vergleich zu früher gewachsene subjektiv gefühlte Informiertheit über den Nationalpark ist zweifellos ein positiver Befund … (das sehe ich nicht so, weil eben nur subjektiv gefühlt)
- Bei einigen, auch grundsätzlichen Fragen (Beliebtheit, Zufriedenheit mit Verwaltung …) fällt auf, dass sich das Antwortverhalten in den unmittelbaren Nationalpark-Gemeinden von dem des erweiterten Umkreises (teilweise deutlich) unterscheidet und weniger positiv ausfällt. (tja, der böse Nachbar wird am Ende der Wohnstraße wohl auch beliebter sein, als unmittelbar nebenan)
Mein Fazit
Wie bei den meisten Umfragen kann man sich die passenden Antworten aussuchen und viele Zahlen und isolierte Aussagen können ohne allzu viel Auslegungsbemühungen als positiv bewertet werden. Das werden alle Verantwortlichen dann auch eifrig tun. Und diese Zusammenfassung wird keine Argumentationshilfe gegen die so offensichtlich „positiven“ zahlen sein.
Die bedenklich stimmenden und für mich bedeutenderen Aussagen entstehen zwischen den Zeilen und im Vergleich der Einzelaussagen untereinander und im Zeitverlaufe. Da sind aus meiner Sicht Tendenzen zu erkennen, die in eine Richtung führen, die weder wir, noch die Politik anstreben dürften. Nur diese „weichen“ Erkenntnisse helfen nicht gegen die „harten“ Zahlen und wie so oft wird auch hier der Spatz in der Hand höher bewertet werden, als die Taube auf dem Dach.
Die Öknoranten werden wohl im Moment noch einen Nationalpark ohne Menschen für erstrebenswert halten. Ob sich die Menschen erzwungener Maßen, aus Einsicht oder aus Desinteresse aus der Natur zurückziehen – das ist ihnen dabei egal. Hauptsache weg.
Aber irgendwann werden sie merken, dass, wenn sich niemand mehr für ihren Nationalpark interessiert, auch keine Mittel mehr fließen …
Die ganze Zusammenfassung hier: